Georg Trakl                               Afra

1887 – 1914

Ein Kind mit braunem Haar. Gebet und Amen
Verdunkeln still die abendliche Kühle
Und Afras Lacheln rot in gelbem Rahmen
Von Sonnenblumen, Angst und grauer Schwüle.

 

Gehüllt in blauen Mantel sah vor Zeiten
Der Mönch sie fromm gemalt an Kirchenfenstern;
Das will in Schmerzen freundlich noch geleiten,
Wenn ihre Sterne durch sein Blut gespenstern.

 

Herbstuntergang; und des Holunders Schweigen.
Die Stirne rührt des Wassers blaue Regung,
Ein harnes Tuch gelegt auf eine Bahre.

 

Verfaulte Früchte fallen von den Zweigen;
Unsäglich ist der Vogel Flug, Begegnung
Mit Sterbenden; dem folgen dunkle Jahre.

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Andacht

1887 – 1914

Das Unverlorne meiner jungen Jahre

Ist stille Andacht an ein Glockenläuten,

An aller Kirchen dämmernde Altare

Und ihrer blauen Kuppeln Himmelweiten.

 

An einer Orgel abendliche Weise,

An weiter Plätze dunkelndes Verhallen,

Und an ein Brunnenplätschern, sanft und leise

Und süß, wie unverstandnes Kinderlallen.

 

Ich seh’ mich träumend still die Hände falten

Und längst vergessne Gebete flüstern,

Und frühe Schwermut meinen Blick umdüstern.

 

Da schimmert aus verworrenen Destalten

Ein Frauenbild, umflort von finstrer Trauer,

Und gießt in mich den Kelch verruchter Schauer.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Das Grauen

1887 – 1914

Ich sah mich durch verlaßne Zimmer gehn.

- Die Sterne tanzten irr auf blauem Grunde,

Und auf den Feldern heulten laut die Hunde,

Und in den Wipfeln wühlte wild der Föhn.

 

Doch plötzlich: Stille! Dumpfe Fieberglut

Läßt giftige Blumen blühn aus meinem Munde,

Aus dem Geäst fällt wie aus einer Wunde

Blaß schimmernd Tau, und fällt, und fällt wie Blut.

 

Aus eines Spiegels trügerischer Leere

Hebt langsam sich und wie ins Ungefähre

Aus Graun und Finsternis ein Antlitz: Kain!

 

Sehr leise rauscht die samtene Portiere,

Durchs Fenster schaut der Mond gleichwie ins Leere,

Da bin mit meinem Mörder ich allein.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Dämmerung

1887 – 1914

Im Hof, verhext von milchigem Dämmerschein,
Durch Herbstgebräuntes weiche Kranke gleiten.
Ihr wächsern-runder Blick sinnt goldner Zeiten,
Erfüllt von Träumerei und Ruh und Wein.

 

Ihr Siechtum schließt geisterhaft sich ein.
Die Sterne weiße Traurigkeit verbreiten.
Im Grau, erfüllt von Täuschung und Geläuten,
Sieh, wie die Schrecklichen sich wirr zerstreun.

 

Formlose Spottgestalten huschen, kauern
Und flattern sie auf schwarz-gekreuzten Pfaden.
O! trauervolle Schatten an den Mauern.

 

Die andern fliehn durch dunkelnde Arkaden;
Und nächtens stürzen sie aus roten Schauern
Des Sternenwinds, gleich rasenden Mänaden.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Dämmerung

1887 – 1914

Zerwühlt, verzerrt bist du von jedem Schmerz

Und bebst vom Mißton aller Melodien,

Zersprungne Harfe du – ein armes Herz,

Aus dem der Schwermut kranke Blumen blühn.

 

Wer hat den Feind, den Mörder dir bestellt,

Der deiner Seele letzten Funken stahl,

Wie er entgöttert diese karge Welt

Zur Hure, häßlich, krank, verwesungsfahl!

 

Von Schatten schwingt sich noch ein wilder Tanz,

Zu kraus zerrißnem, seelenlosen Klang,

Ein Reigen um der Schönheit Dornenkranz,

 

Der welk den Sieger, den verlornen, krönt

- Ein schlechter Preis, um den Verzweiflung rang,

Und der die lichte Gottheit nicht versöhnt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Dezembersonett

1887 – 1914

Am Abend ziehen Gaukler durch den Wald,
Im dunklen Plan sind Dörfer eingemalt.
Der rote Wind bläht Linnen schwarz und kalt.
Und sacht ein Leichenzug zum Friedhof wallt.

 

Auf wunderlichen Wägen, kleinen Rossen.                         
In Wolken scheint ein goldner Hort verschlossen,
Ein Hund verfault, ein Strauch raucht blutbegossen.
Von gelben Schrecken ist das Rohr durchflossen.

 

Des Greisen Hütte schwindet nah am Grau.
Ein Knabe gleitet scheu zu einer Frau.                               

Im Weiher gleißt ein Schein von alten Schätzen.


Die Bauern sich im Krug zum Weine setzen.

Ein Mönch verblasst im Dunkel sanft und düster.
Ein kahler Baum ist eines Schläfers Küster.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Ein Herbstabend

1887 – 1914                                                 An Karl Röck

 

Das braune Dorf. Ein Dunkles zeigt im Schreiten

Sich oft an Mauern, die im Herbste stehn,

Gestalten: Mann wie Weib, Verstorbne gehn

In kühlen Stuben jener Bett bereiten.

 

Hier spielen Knaben. Schwere Schatten breiten

Sich über braune Jauche. Mägde gehn

Durch feuchte Bläue und bisweilen sehn

Aus Augen sie, erfüllt von Nachtgeläuten.

 

Für Einsames ist eine Schenke da;

Das säumt geduldig unter dunklen Bogen,

Von goldenem Tabaksgewölk umzogen.

 

Doch immer ist das Eigne schwarz und nah.

Der Trunkne sinnt im Schatten alter Bogen

Den wilden Vögeln nach, die ferngezogen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Drei Träume III

1887 – 1914

Ich sah viele Städte als Flammenraub

Und Gräuel auf Gräuel häufen die Zeiten,

Und sah viel Völker verwesen zu Staub,

Und alles in Vergessenheit gleiten.

 

Ich sah die Göter stürzen zur Nacht,

Die heiligsten Harfen ohnmächtig zerschellen,

Und aus Verwesung neu entfacht,

Ein neues Leben zum Tage schwellen.

 

Zum Tage schwellen und wieder vergehn,

Die ewig gleiche Tragödia,

Die also wir spielen sonder Verstehn,

 

Und deren wahnsinnsnächtige Qual

Der Schönheit sanfte Gloria

Umkränzt als lächelndes Dornenall.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               In der Heimat

1887 – 1914

Resedenduft durchs kranke Fenster irrt;

Ein alter Platz, Kastanien schwarz und wüst.

Das Dach durchbricht ein goldener Strahl und fließt

Auf die Geschwister traumhaft und verwirrt.

 

Im Spülicht treibt Verfallnes, leise girrt

Der Föhn im braunen Gärtchen; sehr still genießt

Ihr Gold die Sonnenblume und zerfließt.

Durch blaue Luft er Ruf der Wache klirrt.

 

Resedenduft. Die Mauern dämmern kahl.

Der Schwester Schlaf ist schwer. Der Nachtwind wühlt

In ihrem Haar, das mondner Glanz umspült.

 

Der Katze Schatten gleitet blau und schmal

Vom morschen Dach, das nahes Unheil säumt,

Die Kerzenflamme, die sich purpurn bäumt.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Märchen

1887 – 1914

Raketen sprühn im gelben Sonnenschein;

Im alten Park welch maskenhaft Gewimmel.

Landschaften spiegeln sich am grauen Himmel

Und manchmal hört den Faun man gräßlich schrein.

 

Sein goldnes Grinsen zeigt sich grell im Hain.

In Kressen tobt der Hummeln Schlachtgetümmel,

Ein Reiter trabt vorbei auf fahlem Schimmel.

Die Pappeln glühn in ungewissen Reihn.

 

Die Kleine, die im Weiher heut ertrank,

Ruht eine Heilige im kahlen Zimmer

Und öfter blendet sie ein Wolkenschimmer.

 

Die alten gehn im Treibhaus stumpf und krank

Und gießen ihre Blumen, die verdorren.

Am Tore flüstern Stimmen traumverworren.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Sabbath

1887 – 1914

Ein Hauch von fiebernd giftigen Gewächsen

Macht träumen mich in mondnen Dämmerungen,

Und leise fühl’ ich mich umrankt, umschlungen,

Und seh’ gleich einem Sabbath voller Hexen

 

Blutfarbne Blüten in der Spiegel Hellen

Aus meinem Herzen keltern Flammenbrünste,

Und die Lippen kundig aller Künste

An meiner trunknen Kehle wütend schwellen.

 

Pestfarbne Blumen tropischer Gestade,

Die reichen meinen Lippen ihre Schalen,

Die trüben Geiferbronnen ekler Qualen.

 

Und eine schlingt – o rasende Mänade –

Mein Fleisch, ermattet von den schwülen Dünsten,

Und schmerzverzückt von fürchterlichen Brünsten.

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Traum des Bösen

1887 – 1914

Verhallend eines Sterbeglöckchens Klänge -
Ein Liebender erwacht in schwarzen Zimmern,
Die Wang' an Sternen, die im Fenster flimmern.
Am Strome blitzen Segel, Masten, Stränge.

 

Ein Mönch, ein schwangres Weib dort im Gedränge.
Guitarren klimpern, rote Kittel schimmern.
Kastanien schwül in goldnem Glanz verkümmern;
Schwarz ragt der Kirchen trauriges Gepränge.

 

Aus bleichen Masken schaut der Geist des Bösen.
Ein Platz verdämmert grauenvoll und düster;
Am Abend regt auf Inseln sich Geflüster.

 

Des Vogelfluges wirre Zeichen lesen
Aussätzige, die zur Nacht vielleicht verwesen.
Im Park erblicken zitternd sich Geschwister.

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Verfall

1887 – 1914

Am Abend, wenn die Glocken Frieden läuten,
Folg ich der Vögel wundervollen Flügen,
Die lang geschart, gleich frommen Pilgerzügen,
Entschwinden in den herbstlich klaren Weiten.

 

Hinwandelnd durch den dämmervollen Garten
Träum ich nach ihren helleren Geschicken
Und fühl der Stunden Weiser kaum mehr rücken.
So folg ich über Wolken ihren Fahrten.

 

Da macht ein Hauch mich von Verfall erzittern.
Die Amsel klagt in den entlaubten Zweigen.
Es schwankt der rote Wein an rostigen Gittern,

 

Indes wie blasser Kinder Todesreigen
Um dunkle Brunnenränder, die verwittern,
Im Wind sich fröstelnd blaue Astern neigen.

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Georg Trakl                               Von den stillen Tagen

1887 – 1914

So geisterhaft sind diese späten Tage

Gleichwie der Blick von Kranken, hergesendet

Ins Licht. Doch ihrer Augen stumme Klage

Beschattet Nacht, der sie schon zugewendet.

 

Sie lächeln wohl und denken ihrer Feste,

Wie man nach Liedern bebt, die halb vergessen,

Und Worte sucht für eine traurige Geste,

Die schon verblaßt in Schweigen ungemessen.

 

So spielt um kranke Blumen noch die Sonne

Und läßt von einer todeskühlen Wonne

Sie schauern in den dünnen, klaren Lüften.

 

Die roten Wälder flüstern und verdämmern,

Und todesnächtiger hallt der Spechte Hämmern

Gleichwie ein Widerhall aus dumpfen Grüften.